Zu sehen ist ein Wecker, der einen Weckruf symbolisiert, da ein Tätigwerden längst überfällig ist.

Öffentliche Behörden zeigen dringenden Handlungsbedarf bei ME/CFS

Energiesparende Zusammenfassung:

Die Tätigkeitsberichte für das Jahr 2024 von

zeigen dringenden Handlungsbedarf bei ME/CFS, insbesondere bei Versorgung, sozialer Absicherung und Begutachtungen.

Der Prüfbericht des Rechnungshofes, der unsere vielfachen Prüfanregungen der vergangenen Jahre aufgegriffen hat und mit dem unsererseits mehrfacher Austausch bestand, ist noch ausständig.

Tätigkeitsbericht der Volksanwaltschaft

Die Volksanwaltschaft hat in ihrem im Mai bereits veröffentlichten Tätigkeitsbericht auf Defizite bei der Pflegegeldeinstufung hingewiesen:

Trotz des erheblichen Betreuungsbedarfs und der Schwere der Beeinträchtigung wird den Betroffenen in Anwendung der Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz in den meisten Fällen nur die Pflegegeldstufe 1 zuerkannt (aktuell 200,80 Euro im Monat). Aber selbst diese niedrige Pflegestufe bleibt vielen Antragstellerinnen und Antragstellern verwehrt.

Zu den Begutachtungen liegen eine Vielzahl von negativen Erfahrungen vor:

Trotz der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die es mittlerweile zu diesen Krankheitsbildern gibt, bringen Gutachterinnen und Gutachter den Betroffenen häufig immer noch großes Unverständnis für ihren Zustand und ihre Einschränkungen entgegen. Betroffene empfinden die Begutachtungssituation oft als sehr unangenehm. Dabei ist in den Beschwerden zum Beispiel von zynischen Bemerkungen, unfreundlichem Umfangston [sic!] oder mangelndem Einfühlungsvermögen der Gutachterinnen und Gutachter die Rede.

👉 Nachzulesen unter: https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVIII/III/130/imfname_1678660.pdf

Tätigkeitsbericht der Wiener Pflege- und Patient:innenanwaltschaft

Auch der Wiener Pflege- und Patient:innenanwalt berichtet von einer “erheblichen Anzahl an Beschwerden” und zeigt die Dramatik in einem deutlichen Statement:

Es ist kaum möglich, die einzelnen Fälle in der in diesem Bericht sonst üblichen sachlichen und knappen Form zu schildern, da Begriffe wie “Mängel in der medizinischen Versorgung” oder “Nicht-Anerkennung des Pflegebedarfs durch Gutachter*innen” nicht geeignet sind, die Tragik der davon betroffenen Patient*innen und ihres pflegenden Umfelds zu beschreiben.

Auch in unserer Vertretungsarbeit sehen wir die Herausforderung, dass zum Schutz der minimalen Restgesundheit auf soziale Ansprüche und Unterstützung verzichtet wird:

Manche Betroffenen entschieden sich, nicht mehr um Sozialleistungen anzusuchen, weil die Kraft dafür fehle oder man befürchtete, dass sich durch neuerliche Begutachtungen der Gesundheitszustand des*r Patient*in noch weiter verschlechtern würde.

Besonders eindrucksvoll werden die Erfahrungen bei Begutachtungen geschildert – auch das deckt sich mit unseren Einblicken:

Eine Patientin, bettlägerig, mit einer schweren Form von ME/CFS, wird seit Jahren von ihren betagten Eltern gepflegt. Die PVA lehnte einen Hausbesuch zur Begutachtung im Rahmen des Rehageldes ab. Die Patientin schilderte in ihrer Beschwerde, dass der begutachtende Neurologe bei ihrem Eintreten (in Begleitung) zu seinem Kollegen witzelte, “dass das Theater jetzt losgehen könne.” Sich hinzulegen wurde ihre mehrmals verweigert, bis sie schließlich das Gleichgewicht verlor. […] Ihr Antrag auf Rehageld wurde auch nach Einschalten der Ombudsstelle erneut abgelehnt.

Medizinische Einrichtungen sind keineswegs auf Betroffene dieser Erkrankungen vorbereitet, nehmen diese nicht ernst und bieten selbst auf Nachfrage keinerlei Unterstützung:

Eine ME/CFS-Patientin bat bei Anmeldung auf der pulmologischen Long-Covid-Ambulanz des AKH [Anmerkung: diese ist mittlerweile geschlossen] erfolglos um einen Liegesessel. Im Stehen und Sitzen litt sie unter dem Posturalen orthostatischen Tachykardieyndrom (POTS), in weiterer Folge an einer Verschlechterung ihrer Symptome für mehrere Tage bis Wochen (PEM). Schließlich ging es der Patientin so schlecht, dass sie sich auf den Spitalsboden legen musste. Dort ließ man sie etwa eine halbe Stunde lang liegen, bis sie zur Behandlung aufgerufen wurde. […] Mit der Beschwerde durch die WPPA konfrontiert erklärte das AKH, an diesem Tag sei leider kein Bett zur Verfügung gestanden […].

👉 Nachzulesen unter: https://www.digital.wienbibliothek.at/urn/urn:nbn:at:AT-WBR-1933991

Tätigkeitsbericht der Anwaltschaft für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen

Die Anwältin für Menschen mit Behinderungen zeigt die Problematik auf, dass ME/CFS nicht in der Einschätzungsverordnung zum Grad der Behinderung enthalten ist.

Ein Beispiel, das in der täglichen Beratungsarbeit häufig an uns herangetragen wird, ist die fehlende Möglichkeit für Menschen mit ME/CFS einen Behindertenpass zu beantragen. ME/CFS ist aktuell noch nicht in der Einschätzungsverordnung als Diagnose enthalten, womit die gesetzliche Grundlage fehlt, um für Personen einen Behindertenpass aufgrund von ME/CFS auszustellen. Dadurch wird der Zugang zu bestimmten mit dem Behindertenpass verknüpften Leistungen für diese Gruppe von Menschen mit Behinderungen verwehrt.

Ein von der ÖG ME/CFS im Januar 2024 übermitteltes Ansuchen zur Aufnahme von ME/CFS wurde November 2024 abgelehnt. In der Patient:innenvertretungsarbeit werden die Auswirkungen dieser Ablehnung täglich sichtbar – Betroffene fallen durch alle Raster und erhalten keinerlei Unterstützung, da sie nicht als Menschen mit Behinderung gesehen werden.

👉 Nachzulesen unter: https://www.behindertenanwaltschaft.gv.at/fileadmin/user_upload/dokumente/Stellungnahmen_ab_1.1.25/Taetigkeitsbericht_2024.pdf

Warten auf das Prüfergebnis des Rechnungshofs

Der Rechnungshof hat nach mehreren Prüfanregungen der ÖG ME/CFS im Rahmen von #ZeigenSieAuf sowie der Kontaktaufnahme einer Vielzahl von Betroffenen die Prüfung der Versorgungslage von ME/CFS-Betroffenen festgelegt. Seither stehen wir immer wieder im Austausch und haben Materialien und wichtige Hintergrundinformationen bereitgestellt. Auf unsere letzte Anfrage, wann mit dem Prüfergebnis gerechnet werden kann, haben wir noch keine Auskunft erhalten – wir gehen jedoch davon aus, dass neben der Betroffenenperspektive auch die vorgestellten Tätigkeitsberichte der öffentlichen Behörden in das Ergebnis einfließen werden.

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