Zu sehen sind die Werbesujets für die Demonstration und die Solidaritäts-Party

Rückblick auf die Demonstration am 3. Oktober 2025

Warum MUT?

MUT – ME: Unterstützung und Teilhabe ist aus der Erfahrung vieler Betroffener entstanden: ME/CFS wird noch immer verkannt, Versorgungslücken bleiben, die Folgen tragen Patient:innen und Angehörige. Mit MUT machen Betroffene das Unsichtbare sichtbar, fordern Anerkennung, medizinische Versorgung, soziale Absicherung und Forschung – öffentlich, würdevoll und entschlossen.

Energiesparende Zusammenfassung

Wie es dazu kam

Am 8.8.2025, dem Severe ME Awareness Day demonstrierten Betroffene spontan vor der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) gegen die fehlende Versorgung. Der Standard berichtete und zitierte eine Demonstrantin:

Wir wollen Anerkennung und Unterstützung. Wir zahlen jahrelang in ein Sozialsystem ein, nur um dann im Krankheitsfall abgewiesen und in die Armut gedrängt zu werden!

Dieser Umgang ist bedauerlicherweise gelebte Praxis. Die Betroffenen verweisen dabei auch auf Missstände, die bereits von öffentlichen Stellen festgestellt wurden, etwa in den Tätigkeitsberichten der Volksanwaltschaft, der Gleichbehandlungsanwaltschaft und der Wiener Pflege- und Patient:innenanwaltschaft (siehe dazu Beitrag auf unserer Webseite).

Aus dieser Erfahrung heraus gründeten Betroffene die Initiative MUT – ME: Unterstützung und Teilhabe, um weiter auf diese strukturellen Probleme aufmerksam zu machen und riefen mittels Presseaussendung zur Kundgebung am 3. Oktober 2025 auf.

Der Demo-Tag & die Soliparty

Die Kundgebung begann um 16:00 Uhr vor dem Parlament und wurde live übertragen. Auch die ÖG ME/CFS war mit einem Infostand vor Ort. Anschließend gab es eine Solidaritätsparty im TÜWI mit Tombola, Glücksrad und Bands; die Spenden des Abends fließen vollständig in Awareness und direkte Unterstützung von Betroffenen.

Fotocredits: Philippa Kaufmann

Stimmen von der Kundgebung

MUT-Initiative – Sandra Steinmüller

Sandra Steinmüller eröffnete die Kundgebung im Namen der MUT-Initiative mit einer eindringlichen Rede über strukturelle Gewalt, Ignoranz und die systematische Unsichtbarmachung von ME/CFS-Betroffenen.
Sie sprach von einer „behördlichen Mauer, gebaut aus Ignoranz, Unwissen oder dem schlichten Inkaufnehmen von vielen Tausenden zerstörten Menschenleben“, an der Betroffene immer wieder abprallen. Sie machte deutlich, dass es nicht um Einzelschicksale geht, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Versagen, um eine Kultur des Wegschauens, die Betroffene aus Versorgung, Erwerb und sozialer Teilhabe ausschließt.

Trotzdem war ihr Appell von Stärke getragen:

Wir Betroffene haben zwar kaum Kraft uns zu wehren, aber euer Treten nach unten ist so widerwärtig, dass selbst wir die Kraft und auch den MUT aufbringen, uns das nicht länger gefallen zu lassen!

Steinmüller rief zu Solidarität, öffentlichem Druck und politischem Handeln auf.
Ihre Rede bildete den emotionalen Auftakt und das inhaltliche Fundament der Demonstration: ME/CFS ist nicht nur eine medizinische, sondern auch eine soziale Krise. Sie forderte die Politik auf, diese Verantwortung endlich wahrzunehmen.

ÖG ME/CFS – Sandra Leiss

Sandra Leiss sprach als Vertreterin der ÖG ME/CFS und schilderte eindrucksvoll, was es bedeutet, mit dieser Krankheit in Österreich zu leben. Sie stellte die ehrenamtliche Arbeit der ÖG ME/CFS als Patient:innenorganisation vor, die trotz knapper Mittel versucht, Aufklärung, Unterstützung und Sichtbarkeit zu schaffen.

Leiss machte deutlich, dass das „Danach“ einer Belastungdie Post-Exertional Malaise (PEM) – nicht einfach eine Reaktion ist, die plötzlich einsetzt, sondern das ständige Kernmerkmal der Erkrankung: Ein Mechanismus, der bewirkt, dass jede noch so kleine Anstrengung im Nachhinein zu einem Crash führen kann, dessen Schwere und Dauer nicht vorhersehbar sind. Genau dieses Kernmerkmal werde jedoch noch immer nicht verstanden oder akzeptiert.

Die Demonstration ist nötig – und das ist beschämend!

Sie verwies auf den Tätigkeitsbericht der Wiener Pflege- und Patient:innenanwaltschaft, in dem Gutachter:innen gegenüber einer Patientin spöttisch meinten, dass das Theater jetzt losgehen könne”.

Und das ist die traurige Realität in Österreich, mit der wir konfrontiert sind: Wir werden nicht als kranke Menschen gesehen, sondern als professionelle Schauspieler:innen, die ein Theater aufführen.

Leiss machte klar, dass die nach internationalen Prävalenzen rund 80.000 Betroffenen in Österreich ihre Krankheit nicht erfinden, der gesellschaftliche Umgang mit ihnen inakzeptabel ist und sie politische Konsequenzen fordert.

Black Ferk Studio – Matthias Mollner

Matthias Mollner vom Black Ferk Studio erzählte die berührende Geschichte seiner Partnerin Judith, mit der er gemeinsam das Kunst- und Wissenschaftskollektiv gegründet hat, das sich ME/CFS widmet. Anhand ihres Weges zeigte er eindrucksvoll, wie unzureichend das österreichische Pflegegeldsystem auf komplexe chronische Erkrankungen wie ME/CFS und deren Komorbiditäten ausgelegt ist.

Er berichtete von Judiths Kampf um Pflegegeld, bei dem sie trotz Bettlägerigkeit und 24-Stunden-Pflegebedürftigkeit zunächst nur Pflegestufe 2 von 7 erhielt. Erst nach einer Klage wurde diese auf Stufe 3 angehoben. Mit einem Beispiel machte Mollner den Nachschärfungsbedarf bei der Berechnung deutlich:

Der gerichtliche Gutachter beim Pflegegeldprozess führte aus, dass Judith die wegen ihres Posturalen Tachykardiesyndroms (PoTS) verordneten Stützstrümpfe nicht benötige, wenn sie die ganze Zeit im Bett liegt. Da es aber für die erforderliche Hilfe beim An- und Ausziehen von Stützstrümpfen Punkte gibt, ergibt sich daraus folgende Situation: Wenn man im Bett liegt und nicht mehr aufstehen kann, bekommt man weniger Punkte, weil man dann laut Gutachter keine Stützstrümpfe tragen muss. Wenn man aber aufstehen kann, weil das PoTS vielleicht leichter ausgeprägt ist und dann Stützstrümpfe trägt, bekommt man mehr Punkte. Das heißt: Schwerer kranke Menschen bekommen weniger als leichter Kranke.

Auch für die Berufsunfähigkeitspension musste die PVA erst durch eine Sterbeverfügung von der Schwere der Erkrankung überzeugt werden.

Ausgezahlt wurde die Pension für einen Monat. Judith verstarb im selben Monat, in dem die Auszahlung erfolgte. Danach wurde das Geld von der PVA wieder zurückgebucht.

Mollner betonte, dass diese Geschichte stellvertretend für viele Betroffene steht. Er forderte mehr Forschung, Zugang zu Off-Label Medikamenten und wirksame Behandlungsmöglichkeiten, um Betroffenen wenigstens ein Stück Lebensqualität zu ermöglichen.

Er schloss mit einem Appell an den gesellschaftlichen Zusammenhalt:

Eine Krankheit wie ME/CFS lässt die Menschen zusammenrücken. So viel Unterstützung, Hilfe und Rücksichtnahme wie in der großen Community der Betroffenen und Angehörigen wünsche ich mir auch in der Gesellschaft.

IG Pflegender Angehöriger – Birgit Meinhard-Schiebel

Birgit Meinhard-Schiebel von der Interessengemeinschaft für pflegende Angehörige lenkte den Blick auf jene, die im Schatten der Erkrankten stehen – auf die rund 100 000 pflegenden Angehörigen in Österreich, darunter auch Kinder. Sie erinnerte daran, dass für viele Familien der Alltag aus ständiger Sorge, körperlicher Überlastung und finanzieller Unsicherheit besteht.

Es ist nicht einfach überhaupt Pflegegeld zu bekommen. Es ist schon fast unermesslich gut, wenn jemand die Stufe 2 bekommt, aber die pflegenden Angehörigen brauchen die Pflegegeldstufe 3 des Betroffenen, damit sie auch Unterstützungsleistungen bekommen […] – Pflegekarenz, Ersatzzeit in der Pflege, die Unterstützung bei der 24-Stunden-Betreuung usw. Das versucht man natürlich auch zu verhindern, indem man einfach schaut, dass es nicht bis zur Stufe 3 kommt.

Sie machte deutlich, dass das Pflegegeldsystem in seiner jetzigen Form nicht auf Erkrankungen wie ME/CFS ausgelegt ist. Eine Krankheit, die häufig junge Menschen trifft, bei der Heilung ungewiss ist und Betreuung über Jahre oder Jahrzehnte notwendig sein kann. Gerade Angehörige stünden damit in einem System, das sie weder finanziell noch organisatorisch auffängt.

So darf es einfach nicht weitergehen, es ist einfach schändlich so mit Menschen umzugehen. Und: Pflegende Angehörige haben ein Recht darauf, Unterstützung zu bekommen. Ganz wichtig, aber nicht erst ab der Stufe 3, sondern in dem Augenblick, wo es überhaupt eine Stufe gibt.

Prim. Dr. Georg Psota

Der Beitrag von Prim. Dr. Georg Psota, Neurologe und Psychiater, ehemals Chefarzt des Psychosozialen Dienstes Wien, wurde aufgrund seines Urlaubs als Videoeinspielung gezeigt.
In seiner Rede sprach er offen über das fehlende Verständnis großer Teile der Medizin für neu auftretende oder komplexe Erkrankungen – und insbesondere für ME/CFS.

Wir tun so, weil etliche der Untersucher, die eigentlich feststellen sollten, was die Schweregrade der Erkrankung und auch die entsprechenden sozialen Maßnahmen betrifft, sich in der Dimension dieser Erkrankung oder dieses Syndroms nicht auskennen. Das ist ein Zustand, der so nicht bleiben kann!

Psota zeigte sich erschüttert über das Ausmaß der öffentlichen Verleugnung und machte deutlich, dass es hier nicht nur um fehlende Erkenntnisse, sondern um eine Haltung geht. Die Weigerung, ME/CFS als ernsthafte, potenziell lebensgefährdende Krankheit anzuerkennen, bedeute für Betroffene nicht nur medizinisches Leid, sondern existenzielle Not.

Schwer, geschweige denn schwerst Betroffene sind nicht nur gesundheitlich in massiver Gefahr, sondern auch sozial und finanziell.
Es ist höchste Zeit, dass die Medizin und die Politik Verantwortung übernehmen.

Er forderte ein Ende der Passivität und mehr wissenschaftliche Ambition, um Forschung, Versorgung und soziale Absicherung endlich zusammenzudenken.

Mag. Markus Hochgerner

Als Gesundheitspychologe und Psychotherapeut sprach er über die Auswirkungen der Unterversorgung, der Fehlversorgung und der Nichtversorgung – aus gesundheitlicher, psychischer und existenzieller Perspektive. Dabei zeigt er auch die Hürden und Belastungen der Betroffenen:

Ich könnte alle Erstgespräche, die ich führe, nach 5 Sätzen abbrechen, weil sie im Prinzip immer gleich lauten. Der erste Satz ist: “Ich fühle mich nicht verstanden.” Der zweite Satz ist: “Meine Umgebung ist verzweifelt.” Und der dritte Satz ist: “Ich schäme mich, dass ich nicht mehr funktioniere.” Und der 4. Satz: “Ich weiß nicht, wie meine Zukunft aussieht.

Er rief Patient:innen dazu auf, sich zu organisieren, bestehenden Patient:innenorganisationen beizutreten und die Politik direkt anzusprechen.

Frauen* mit Behinderungen – Bettina Wittmann

Bettina Wittmann sprach im Namen von Frauen* mit Behinderungen und stellte ihre Organisation vor, die sich für feministische Behindertenpolitik und Empowerment einsetzt. Sie berichtete von den Erfahrungen vieler Betroffener, die neben der Krankheit selbst immer wieder auch Abwertung, Misstrauen und Gaslighting erleben, also die subtile Infragestellung ihres Leidens oder ihrer Glaubwürdigkeit.

Sie erklärte, dass Frauen* mit Behinderungen dazu Workshops anbieten, um Betroffene in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken. Sie betonte die Bedeutung von gegenseitiger Unterstützung in einer Gesellschaft, die oft wegsieht, wenn Menschen krank oder behindert sind.

Ihr seid nicht allein! Wir stecken fest, aber gemeinsam gehen wir ein paar Schritte weiter.

Mit diesen Worten brachte sie den Geist der Demonstration auf den Punkt: Solidarität, gegenseitige Stärkung und das gemeinsame Sichtbarmachen von Menschen, die in der öffentlichen Wahrnehmung kaum vorkommen.

MUT-Initiative – Eva Maria Burger

Eva Maria Burger, selbst Sprecherin der Initiative MUT, konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht vor Ort sein. Ihre Rede wurde als Aufnahme abgespielt. Eine Stimme aus dem Bett, die ungeschminkt zeigt, wie Menschen mit ME/CFS in Österreich behandelt werden.

Sie schilderte, wie sie nach Covid-19 an ME/CFS und weiteren Komorbiditäten erkrankte, pflegebedürftig wurde und Anträge auf Pension und Pflegegeld stellte.

Was folgte, war kein medizinisches Verfahren, sondern ein Folterapparat.

Ihre Diagnosen wurden ignoriert, stattdessen wurden ihr psychische Störungen unterstellt; PoTS-bedingte konvulsive Synkopen galten als „dissoziative Anfälle“, ME als „Neurasthenie“. Trotz Bettlägerigkeit erklärte ein Gutachter, der zugab, nichts über ME/CFS zu wissen, sie sei „transportfähig“.

Dann kam der gerichtlich beeidete Sachverständige im Fach Neurologie. Er schrieb in sein Gutachten, das er über mich ausstellte, mein ganzer gesundheitlicher Zustand, mein Verhalten und alles was mich am Leben hält, sprich: mein Sauerstoff, meine Infusionen und meine Trinknahrung, auf die ich angewiesen bin, weil mein Magen gelähmt ist, seien bloßer sekundärer Krankheitsgewinn. Er schrieb, wenn man mir alles wegnehmen würde, inklusive Rollstuhl, würde ich wieder gesund. Das ist Gewalt in Schriftform. Das ist Vernichtung per Akte.

Ihre Pflegegeldklage läuft seit 2022, ohne Ergebnis. Den Pflegedienst finanziert sie seit Jahren selbst. Auch beim Behindertenpass erlitt sie Übergriffe durch eine Ärztin, die sie zu schmerzhaften Bewegungen zwang und anschrie.

Und die Polizei sagt: “Alles was im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung passiert, ist keine Körperverletzung, sondern eine unsachgemäße Behandlung und somit nicht ihr Thema”. Das heißt: Gutachter:innen dürfen uns quälen. Aber niemand schützt uns.

Im Herbst 2024 leitete sie das Verfahren für eine Sterbeverfügung ein:

In Österreich ist es leichter, mit ME eine Sterbeverfügung zu bekommen als eine soziale Absicherung. Das bedeutet, der Tod wird uns genehmigt, Versorgung nicht.

Sie machte deutlich, dass dies kein Einzelfall, sondern ein systemisches Problem ist, ein System, das Krankheiten leugnet, Frauen pathologisiert und Betroffene bricht.

ME tötet. Und dieses System macht sich mitschuldig. Die Gutachter:innen sind nicht neutral – sie sind Täter. Die Behörden sind nicht blind – sie sind Komplizen. Wir werden nicht länger im Dunkeln verschwinden. ME tötet – und das System ist Mittäter.

MUT-Initiative – Nora Hasan

Als Mitbegründerin der MUT-Initiative sprach Nora Hasan über Solidarität, politische Verantwortung und den Mut, Betroffene zu unterstützen, die selbst kaum noch Kraft haben. Sie erinnerte daran, dass ME/CFS nicht nur eine individuelle Erkrankung, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe ist:

Wenn Betroffene nicht laut sein können, dann müssen wir es sein. Und dafür reicht es nicht Allys zu sein. Allys stellen sich daneben, wenn es leicht ist. Wir brauchen Genoss:innen. Menschen, die wissen: Dein Kampf ist mein Kampf.

Hasan machte deutlich, dass strukturelle Missstände Menschen mit ME/CFS in Isolation und Armut treiben. Gerade Studierende oder junge Erkrankte fielen durch jedes Netz, weil Universitäten und Sozialversicherungssysteme keine passenden Regelungen hätten:

Wer krank wird, fällt durch jedes Netz und landet in Isolation und Armut. Das ist nicht persönliches Pech, das ist politisch produziert.

Sie rief dazu auf, Krankheit nicht länger als Privatangelegenheit zu betrachten, sondern als Spiegel gesellschaftlicher Strukturen:

Kranksein ist keine Privatangelegenheit. Es ist Teil eines Systems, das nur jene sieht, die verwertbar sind. Und genau deshalb braucht es solidarischen Aktivismus, damit niemand vergessen wird, auch wenn sie oder er oder they nicht selbst für sich kämpfen kann.

Mit ihrer klaren Sprache verband Hasan Wut und Hoffnung und schloss mit einem Appell an gemeinsame Stärke:

Genoss:innenschaft heißt: Wir machen sichtbar, was unsichtbar gemacht wird. Wir kämpfen für ein Leben in Würde, jenseits von Nützlichkeit, Leistungszwang und kapitalistischer Logik. Das ist nicht Charity, das ist Klassenkampf.

KPÖ – Barbara Urbanic

Barbara Urbanic sprach als Vertreterin der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) über die gesellschaftlichen und strukturellen Ursachen von Krankheit und Ungleichheit. Sie erinnerte daran, dass gerade Frauen überproportional von chronischen Erkrankungen betroffen sind und zugleich den Großteil der unbezahlten Arbeit in der Gesellschaft leisten.

Urbanic forderte, dass die Politik Betroffene endlich ernst nimmt und ihnen ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht:

Das bedarf auch des politischen Willens, deshalb unterstützt die KPÖ vollumfänglich die Forderungen dieser Kundgebung. Das bedeutet: Die Forderung nach sozialer Absicherung der Betroffenen, nach adäquater medizinischer Betreuung der Betroffenen und nach einer Finanzierung für Forschung in diesem Bereich.

Mit klarer Sprache brachte sie auf den Punkt, was viele der Anwesenden verband: ME/CFS ist kein Randthema, sondern ein politisches Versagen, das nur mit Solidarität und entschlossenem Handeln überwunden werden kann.

LINKS – Tobias Pöcksteiner

Tobias Pöcksteiner, Politiker der Partei LINKS und Angehöriger einer ME/CFS-Betroffenen, sprach über die Erfahrungen aus dem Alltag mit der Krankheit, über die Entkräftung, die Unsicherheit und den zermürbenden Weg durch ein System, das kein Verständnis zeigt.

Jede Person, die mit der Belastung dieser Krankheit ihr Leben bestreitet, hat die höchste Hochachtung verdient.

Er beschrieb den endlosen Ärztemarathon, die Fehldiagnosen und die finanziellen Belastungen, die damit einhergehen:

Der Weg von den ersten auftauchenden Symptomen bis hin zu einer Diagnose und auch zu möglichen Therapien und Behandlungen ist lang und voll mit Hindernissen. Die meisten Ärzt:innen haben entweder keine Ahnung von der Krankheit oder glauben einem nicht. Man wird vor und zurück geschickt: Von Arztpraxis zu Krankenhaus, zu Rehaanstalt, zur Alternativmedizin und wieder zurück. Die Erkenntnis meistens: Niemand kennt sich so richtig aus, aber alles kostet extrem viel Geld.

Pöcksteiner rechnete vor, welche Kosten sich durch Arztbesuche, Taxifahrten, Nahrungsergänzungsmittel und Hilfsmittel ansammeln und forderte die Politik auf, endlich Verantwortung zu übernehmen.
ME/CFS müsse ins Medizinstudium und in die verpflichtende Fortbildung von Ärzt:innen und Gutachter:innen aufgenommen werden.

Zum Schluss wandte er sich direkt an die Zuhörer:innen:

Es ist unser aller Verantwortung, diese Menschen nicht zu vergessen, sondern sie in unserer Gesellschaft mitzudenken und zu integrieren. Das kann heißen, sich immer wieder bei den Betroffenen melden, sie besuchen, die eigenen Pläne an die betroffenen Personen anpassen. Solidarität ist kein Wort, sondern eine Handlung. Es bedeutet, das eigene Leben für diese Menschen accessible zu machen.

Verabschiedung MUT-Initiative – Sandra Steinmüller, mit Grußwort von Gerhard Ströck

Zum Abschluss der Kundgebung dankte Sandra Steinmüller im Namen der MUT-Initiative allen, die gekommen waren: Betroffenen, Angehörigen, Unterstützer:innen, Organisationen und Redner:innen.
Sie erinnerte daran, dass dieser Tag kein Ende, sondern ein Beginn gemeinsamer Sichtbarkeit sei, ein Zeichen, dass Betroffene sich zusammenschließen, um weiter für Anerkennung, Versorgung und Teilhabe zu kämpfen.

In ihren Schlussworten verband sie Dank und Entschlossenheit:

Wir haben heute gezeigt, dass wir trotz Krankheit, trotz Entkräftung, trotz allem noch da sind. Wir werden nicht länger stillhalten, wir werden sichtbar bleiben.

Im Anschluss wurde ein Grußwort von Gerhard Ströck, Gründer der WE&ME Stiftung, verlesen.
Ströck brachte die Forderungen des Tages auf den Punkt:

Unsere klare Botschaft an die Politik: Jetzt handeln! Klinische Anlaufstellen, soziale Absicherung und der Aktionsplan dürfen nicht weiter warten. Hierzu ist die Involvierung der wenigen österreichischen Ärzt:innen mit ME/CFS-Expertise genauso eine Grundbedingung wie Patient:innenbeteiligung in einem modernen Gesundheitssystem “State of the Art” sein muss.

Sein Grußwort schloss mit einem Aufruf zu Verantwortung und Kooperation zwischen Politik, Medizin und Zivilgesellschaft, denn nur gemeinsam könne die Situation von Menschen mit ME/CFS in Österreich nachhaltig verbessert werden.

Fotos und Anschlussveranstaltung

Weitere visuelle Eindrücke der Demonstration vermitteln die große Bandbreite an Emotionen und Engagement, die diesen Tag geprägt haben, von stiller Entschlossenheit bis zu sichtbarer Solidarität.
Die Fotos zeigen Betroffene, Angehörige, Unterstützer:innen und Organisationen, die trotz gesundheitlicher Einschränkungen und struktureller Hürden gemeinsam ein starkes Zeichen gesetzt haben.

Fotocredits: Sarah Langoth, Eva Maria Burger (für das vorletzte Foto)

Auch im Anschluss blieb der Geist der Solidarität spürbar.
Im TÜWI fand eine Solidaritätsparty mit Tombola, Glücksrad und Live-Musik statt. Die Atmosphäre war zugleich kämpferisch und warmherzig, ein Ort der Begegnung, an dem sich Aktivismus, Austausch und Zuversicht verbanden.

Die Demonstration kann, aufgrund eines technischen Ausfalls, in zwei Teilen auf YouTube nachgesehen werden:

Außerdem sind die Beiträge über Radio FRO abrufbar: https://www.fro.at/der-tod-wird-uns-genehmigt-versorgung-nicht/ sowie zusammengeschnittene Auszüge auf Instagram veröffentlicht.

Ausblick auf zukünftige Aktionen

Die MUT-Initiative will den Schwung dieses Tages mitnehmen: Weitere Demonstrationen sind geplant, um die Stimmen der Betroffenen hörbar zu machen und die Politik weiterhin zum Handeln zu bewegen. Denn Sichtbarkeit ist kein einmaliges Ereignis, sie ist eine Bewegung.

Protestaktion der ÖG ME/CFS

Die Österreichische Gesellschaft für ME/CFS (ÖG ME/CFS) wird auch im kommenden Jahr ihre jährliche Protestaktion am 12. Mai, dem Internationalen ME/CFS-Tag, fortführen.
Die Vorbereitungen beginnen bereits im Winter, da die meisten der Engagierten selbst erkrankt sind und die Organisation daher besonders sorgfältig abgestimmt werden muss.

Der kommende 12. Mai 2026 wird erneut der Forderung nach spezialisierten Behandlungsstellen gewidmet sein. Diese sind die Voraussetzung für:
• eine angemessene medizinische Versorgung,
• Fortbildung und Schulung des Fachpersonals,
• evidenzbasierte Forschung und
• faire soziale Begutachtung.

Im Rahmen des Finanzausgleichs wurden hierfür bereits Mittel auf Bundesebene vorgesehen. Die Umsetzung liegt nun in der Verantwortung der Länder.

Langfristig soll die Protestaktion nicht nur in Wien, sondern auch in den Bundesländern sichtbar werden.
Die ÖG ME/CFS arbeitet derzeit daran, entsprechende Materialien, Leitfäden und Unterstützungsangebote vorzubereiten, damit dies Schritt für Schritt möglich wird.

Sobald die organisatorischen Grundlagen und Materialien fertiggestellt sind, wird die ÖG ME/CFS eine eigene Einladung zur Mitwirkung veröffentlichen. Bis dahin steht die Planung im Zeichen von Vorbereitung, Austausch und Koordination, damit der Protest im Mai 2026 noch mehr Menschen sichtbar macht, die sonst im Verborgenen bleiben.

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